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Führung durch das renovierte Parlament Wien & Heidi Horten Collection - 15. Juni 2023

 Als man noch mit Tinte um sich warf, seinen Säbel zu den Sitzungen mitbrachte und Stühle zerlegte!

 
An diesem sonnigen, warmen Donnerstag, 15. Juni 2023 um 10H45, treffen wir uns vor dem Parlamentsgebäude in Wien. Individuell angereist passieren wir als Gruppe von 27 Personen zusammen die Sicherheitskontrollen. 
 
Zum Beginn begrüsst uns im Julius Raab Saal Nationalratsabgeordneter Peter Haubner und gibt uns einen ersten Überblick über seine Arbeit im Parlament in Wien.  
 
Er informiert uns gleich als Erstes, dass heute leider kein Plenartag stattfinden wird: Es habe sich um einen Reservetag gehandelt, der nun nicht erforderlich sei, da es nicht genügend vorbereitete Gesetzesvorschläge für zwei Tage gäbe. 
 
Der Umbau des Parlaments sei eventuell eine der besten Investitionen von Steuergeldern überhaupt gewesen. Es bestehe aktuell ein riesiges Interesse an Führungen. Nächste mögliche Besichtigungen des renovierten Parlaments seien erst ab November 2023 wieder zu buchen! Bis Ende 2023 werden nach aktuellem Stand 500'000 Besucher die Führung absolviert haben!
 
 
 
Der Umgangston im Parlament sei schon immer heftig gewesen. Koalitionen habe es bereits in fast allen Farben gegeben. Aktuell mit den Grünen. Er sei seit 36 Jahren in der Regierung. Seine Partei stehe für Gesprächsbereitschaft, man wolle niemanden ausgrenzen. Die Grünen seien eine Herausforderung, da sie andere Zugänge hätten. 
 
Im Julius Raab Saal tage die Arbeitsgesellschaft Wirtschaftskammer, bestehend aus 3 Bünden: Wirtschaft / Arbeiter / Bauern. Jeder Bund habe einen Saal, in dem er sich vor der Clubsitzung treffe. Parteiinterne Meinungen prallten dort aufeinander. Energiefragen: den Westen beschäftige die Wasserkraft, der Osten interessiere sich für Solaranlagen und Windräder. Nach den Clubsitzungen gemeinsam mit Arbeitern und Bauern gehe es ins Plenum. 42 Fachausschüsse. Auseinandersetzungen im Parlament in Plenarsitzungen. Stenografisches Protokoll. Dokumentation. Wenn ein Gesetz im Nationalrat beschlossen werde dauere es noch lange bis es zum Gesetzestext komme. Man müsse viel lesen. Standpunkte ausarbeiten. 2 Wochen Ausschüsse. 1 Woche Plenarsitzung. 1 Woche frei.
 
Von unseren Mitgliedern befragt zu den Themen Windräder / Stromleitungen / Föderalismus / Vergleich mit Deutschland / Orbanisierung antwortet Peter Haubner:

Es werde gerade zu einem Gesetz der Raumordnungen und Gemeinden gearbeitet. 70% der Bevölkerung wollten keine Windräder. Gleiches Thema fände sich bei den Solaranlagen: Diese bräuchten grosse Flächen (Entlang der Eisenbahn, auf Parkhäusern). Anwohner wollten dies nicht (Abstrahlung, Blendung, Ortsbild). UVP-Beschleunigung => Bürgermeister seien oft dagegen. Der Bürgermeister sei der beliebteste Politiker, weil er nah an der Bevölkerung sei. Die Parlamentarier in Wien dagegen seien weit weg und würden daher oftmals als verzichtbar wahrgenommen. 

80% der Gesetze kämen aktuell aus der Europäischen Union. Dies sei für Unternehmen sehr fordernd, da sie sowohl für Firmen mit 200 als auch mit 2 Angestellten gültig seien. Deutschland habe viele Windparks im Norden jedoch keine Leitungen in den Süden. Die Grünen wollten Windräder jedoch keine Leitungen. Erdverkabelung funktioniere in den flachen Niederlanden gut, jedoch in Österreich aufgrund der vielen Berge nicht so gut. Gerd Müller habe erklärt, dass 50 Millarden Euro in Afrika in Solaranlagen investiert werden könnten, jedoch sei nicht klar, wie dieser Strom dann ins Stromnetzwerk Europas gebracht werden könnte (das europäische Stromnetz sei nicht stark genug, das Stromnetzsystem sei nicht einheitlich). Das Eisenbahnsystem sei ebenfalls nicht in jedem europäischen Land gleich, daran werde jedoch aktuell gearbeitet. 

Deutschland habe im Vergleich zu Österreich ein grosses Budget. Es gäbe dort 6-8 parlamentarische Mitarbeitende. 30% seien echte Regierungsvorlagen, der Rest seien Initiativen. Der ganze Prozess sei durch Covid verlangsamt worden. 

Die Gefahr der Orbanisierung sei nicht sehr gross. Es müsste dazu eine Partei auf über 50% kommen. Dies sei eher unwahrscheinlich. Schon 30% seien eher nicht möglich. Es brauche eine 2/3 Mehrheit für eine Verfassungsänderung. Momentan gäbe es einen starken Linksblock und einen starken Rechtsblock. Ein Heizungsgesetz wie in Deutschland sei angedacht. 

Führung durch das renovierte Parlament Wien

Unsere Führerin arbeite seit 20 Jahren im Parlament und kenne das Haus daher vom Keller bis zum Dach. 20 Millionen habe der Umbau gekostet: Riesen Baustelle; statische Absicherung; Aushöhlung; Keller bekam neuen Abschnitt nur für Technik; Hightech Gebäude. 

Teophil Hansen aus Dänemark

Teophil Hansen aus Dänemark habe das Haus errichtet (Baujahr laut Wikipedia: 1874–1883). Er sei begnadeter Techniker gewesen und habe grossen Wert auf Qualität gelegt. So habe er bezüglich Holz ausschliesslich Eiche verwenden lassen. In den 1950er Jahren, nachdem das Parlament durch Bomben halb zerstört worden war, habe man dann leider Material von schlechter Qualität verbaut. Dadurch hätten sich die beiden Bausubstanzen gegenseitig zerfressen. Nun beim Umbau sei wieder auf hohe Qualität geachtet worden und man habe ebenfalls kein anderes Holz als Eiche verwendet. 

Parlamentssaal 

Wir betreten den Parlamentsraum auf der ÖVP Seite. Die Scheibenkuppel sei Symbol für Transparenz. Die Statue der Monarchie sei durch die Kuppel sichtbar. Man könne alle 3 Bauperioden gleichzeitig sehen: 19tes Jahrhundert, 1950er Jahre und 21tes Jahrhundert. 2008 hätten erste Sondierungen begonnen. Anstatt Prunk aus Monarchiezeiten wollte man die Republik darstellen. 2017 bis 2022 habe der Umbau gedauert. Das Parlament sei in dieser Zeit in die Hofburg gezogen. 

Bundesratskammer

Weiter geht es für uns in die Kammer des Bundesrats. Die Zahl der Abgeordneten hänge ab von der Anzahl Staatsbürger pro Bundesland. Salzburg habe aktuell 4 Abgeordnete, Wien 11 etc. Alle 6 Monate werde ein anderes der 9 Bundesländer das Wichtigste im Parlament. An der Decke sähe man die Wappen der früheren 18 Kronländer. Diese seien jedoch nicht gleichberechtitgt gewesen, was einen Kontrastpunkt zu heute darstelle. Alle Gesetze müssten auch vom Bundespräsidenten (aktuell: Alexander van der Bellen) unterzeichnet werden, erst dann seien sie gültig. Das Nationalratspräsidium präsentiere sich aktuell wie folgt: Wolfgang Sobotka, ÖVP, Nationalratspräsident / Doris Bures, SPÖ, 2. Präsidentin / Norbert Hofer, FPÖ, 3. Präsident

Wie der Kaiser zum neu erbauten Parlament stand

Der Kaiser habe das Parlament gerade einmal 5 Viertelstunden lang besucht (In der Monarchie habe man in Viertelstunden gerechnet). Während der Besichtigung sei er eher schweigsam gewesen. Erst auf dem Balkon mit Blick in Richtung Ringstrasse habe er dann zu Teophil Hansen gesagt: "Ist das Hofburgtheater nicht schön geworden?"

Zimmer für bilaterale Empfänge

Nach einem kurzen Besuch im Zimmer für bilaterale Empfänge, in welchem grossflächige Kunstwerke zu bestaunen sind (eine bestimmte Summe müsse in moderne Kunst investiert werden - dazu gäbe es eigens einen Kunstausschuss - samstags fänden auch extra Kunstführungen statt) kommen wir zum wohl imposantesten Raum des Parlaments:

Die Säulenhalle

Die riesigen Säulen in der Säulenhalle seien aus einem Stück aus Adneter Gestein gefertigte Monolithen und wögen soviel wie 3 Elefanten. Alles sei reine Handarbeit. Die Fussbodenplatten seien horizontal halbiert und wieder verwendet worden. Die Säulenhalle werde genutzt für Empfänge, der Bundespräsident werde hier angelobt, die Feierlichkeiten zum 5. Mai als Befreiungstag von Mauthausen würden hier abgehalten. 

Der alte Saal: Als man noch mit Tinte um sich warf, seinen Säbel mitbrachte und Stühle zerlegte!

Während die Säulenhalle mit ihrer Grösse beeindruckt tut dies der alte Saal mit seiner Geschichte: Das Problem sei damals gewesen, dass die Kronländer nicht gleichberechtigt waren. Dies führte immer wieder zu Konflikten. Es war ein Vielvölkerparlament mit vielen Sprachen (ein kleiner Vorreiter der Europäischen Union). Das Haus war aufgrund von Nationalitätenkonflikten oft wie gelähmt. Karl Renner habe hier zweimal die Republik ausgerufen: 1918 und 1948. In den Unterlagen in der Bibliothek sei über den vormaligen Bibliothekar zu lesen: Er war unverheiratet und kam 30 Minuten zu spät zum Vorstellungsgespräch, dies würde seiner Karriere bestimmt schaden. Wie wir heute wissen, war dies nicht der Fall. Die Presse nannte den alten Saal auch "die Tintenburg", weil die Abgeordneten dort auch schon mal mit Tinte um sich warfen. Zudem hätten sie ihre Säbel zu den Sitzungen mitgebracht und Stühle zerlegt. Die längste Rede sei die eines tschechischen Abgeordneten (aus Böhmen) gewesen und habe 16 Stunden gedauert. Worüber er gesprochen hat sei leider nicht überliefert. 

Mittags zu Tisch im Restaurant KELSEN unter der Kuppel des Parlaments in Wien

Nach der Führung stärken wir uns mittags zu Tisch im Restaurant KELSEN unter der Kuppel bei feinster Küche und angeregten Gesprächen. Ein Spaziergang durch den Volksgarten voller blühender Rosen, vorbei an Bundeskanzleramt und Präsidentenkanzlei, bringt uns zu unserem nächsten Programmpunkt:

Die Heidi Horten Collection

Angelina Piatti führt uns duch die Heidi Horten Collection. Heidi Horten suchte einen neuen Sinn im Leben und legte daher eine umfassende Kunstsammlung an. Das Haus, in dem sich das Museum befindet, gehörte ursprünglich zur Albertina. Es war eine elegante, grosse Garage. 1880 wurde es verstaatlicht. Das Museum ist gerade 1 Jahr alt und daher das jüngste in Wien. Es befinden sich unter Anderem ca. 80 Werke von Picasso, 18 Arbeiten von Chagall und 8 Stücke von Klein im Besitz des Museums. Die Ausstellungen sind veränderbar. Die aktuelle Ausstellung "Rendez-vous" konzentriert sich auf Künstler, in deren Leben Frankreich eine wichtige Rolle spielte sowie um deren Netzwerk. 

Erfindungen und technische Errungenschaften wirken sich auf die Malerei aus

Landschaftsmalerei geschah früher immer im Atelier. Erst als es Farbe in Tuben gab ab ca. Mitte des 19ten Jahrhunderts konnte auch draussen vor Ort gemalt werden. Ab 1830 gab es die ersten Vorläufer der Fotografie. Die Maler fühlten sich dadurch zuerst verunsichert. Sie merkten jedoch bald, dass ein schwarz-weisses Foto die Atmospähre, die sie farbig malen konnten, nicht einzufangen vermochte. Der Impressionnismus entstand. 1818 fuhr Van Gogh erstmals mit der Eisenbahn nach Südfrankreich (das wäre vorher nicht möglich gewesen, da vor dem Bau der Eisenbahn Südfrankreich für ihn kaum erreichbar gewesen wäre). Ihm folgten Gauguin, Signac, Monet. Südfrankreich als Destination sprach sich unter den Künstlern herum. Dies war wichtig für die Weiterentwicklung der Malerei. 

Picasso

Ab 1904 lebte Picasso im Gebäude Bâteau Lavoir in Montmartre, Paris. Dort war es im Sommer wahnsinnig heiss und im Winter sehr kalt. Es galt dort für die Künstler: Entweder berühmt werden oder krepieren.

Christo und Jeanne-Claude

Christo und Jeanne-Claude packten die Brücke "le Pont Neuf" in Paris ein. Das Projekt hatte 40 Jahre gedauert und vierzigtausend Quadratmeter Stoff erfordert. Um nicht von Geldgebern und deren Einflussnahme abhängig zu sein finanzierten sie das Projekt komplett aus eigenen Mitteln. 

Kennedy, Onassis, etc. 

In der Villa Dubeau von Heidi Horten an der Côte d'Azur verkehrten Persönlichkeiten aus Dynastien wie Kennedy, Onassis etc. 

Chagall

In Paris in der Unterkunft la Ruche (von Eiffel entworfen und rund wie ein Bienenkorb) kamen ebenfalls unter haarsträubenden Bedingungen Künstler unter. Es gab dort kein fliessendes Wasser und aufgrund der Lage direkt neben einem Schlachthof herrschte eine Fliegenplage. Hier kamen auch künstlerisch tätige Flüchtlinge aus dem Osten unter (z.B. Chagall). 

Marie Laurencin

Marie Laurencin war ein uneheliches Kind aus einfachsten Verhältnissen. Trotz der wiedrigen Umstände machte sie eine Lehre als Porzellanmalerin und setzte sich als Künstlerin durch. Auch Coco Chanel liess sich von ihr malen. Da sie fand, dass ihr das Portrait nicht ähnlich sah, bezahlte sie es jedoch nie. 600 Werke von Marie Laurencin befinden sich aktuell im Tokio Museum. 

Yves Klein

Yves Klein besass keine Schulausbildung. In Japan liess er sich zum Judoka ausbilden. Sein Werk bezieht sich auf die Farbe Blau, da ihm diese am Spirituellsten und Sensitivsten zu sein schien. Er fertigte Monochrome und Schwammreliefe. Dazu benutzte er keine Pinsel sondern nur Farbrollen und Schwämme. Mit 34 starb er an einem Herzinfarkt.

Kurkonditorei OBERLAA

Nach dem Ende der Führung begeben sich einige von uns noch in die Kurkonditorei OBERLAA, um den spannenden Tag bei Kaffee und Kuchen ausklingen zu lassen. Schliesslich begeben wir uns alle auf unsere individuelle Heimreise. 

Ganz herzlichen Dank an unsere Präsidentin Dr. Maria Ganauser für das Origanisieren dieses bereichernden Tagesausfluges nach Wien! 

 

Text: Manuela Schnegg     Fotos: Werner Riedl

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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